Siegfried Hubert
Rassekaninchenzucht im Westerwald 

Kleine Riesen   

Neugeborene Kaninchen sind einzigartig in der Tierwelt, da ihr Verdauungstrakt während der ersten Lebenswochen fast vollständig frei von Bakterien bleibt. Es gibt in der Kaninchenmilch ein besonderes Molekül (Fettsäure), welches das Überleben von Bakterien im Verdauungstrakt der jungen Kaninchen verhindert. Manchmal wird dieses Molekül als „Milchöl" bezeichnet.
Der Verdauungstrakt bleibt während der ersten drei Lebenswochen der Kaninchen meistens steril. Nach Erreichen dieses Alters werden die jungen Kaninchen kräftiger, neugieriger, verlassen das Nest, und beginnen Futter, welches sie auf natürliche Weise auf ihrem Weg finden, zu knabbern. Bis zur sechsten Woche ihres Lebens verringern junge Kaninchen ihre Milchaufnahme. Die Konzentration des Milchöls im Magen verringert sich dementsprechend. Mikroorganismen, die aufgenommen werden, überleben den Durchgang durch den Magen und beginnen im Blinddarm und den verschiedenen Teilen des Darms schnell zu wachsen und ihn zu besiedeln.  

Die letzte Phase vor dem Absetzen ist sehr wichtig und kann schief gehen. Die Mikroorganismen, die sich im Verdauungstrakt entwickeln, sind grundlegend abhängig von der Art der Ernährung (z.B. Heu), Stress, etc. und es kann passieren, dass sich pathogene Bakterien im sterilen Verdauungstrakt ansiedeln. Dies führt zu schwerem Durchfall und (tödlichen) Darmstörungen. Das Jungkaninchen ist frühestens ab der 7. Lebenswoche in der Lage größere Mengen an Stärke enzymatisch aufzuspalten. Die unverdauten Reste im Darmtrakt dienen pathogenen Coli-Stämmen, Clostridium perfringens u. a. als Nährboden. Wir belassen die kleinen Riesen daher meist bis zum Alter von acht Wochen bei der Mutter. Erst wenn die komplexe Bakterien-Flora den Verdauungstrakt besiedelt hat, wird sie dazu beitragen, die Entwicklung von pathogenen Bakterien zu verhindern.